Trauerbewältigung

Wie geht es mir jetzt? 

Ich stehe mit beiden Beinen im Leben. Gleich nach der Beerdigung ging ich wieder Arbeiten. Ich bin ein sehr selbständiger Mensch, meistere Beruf, Haus, Haushalt, Kind und alles was damit zusammenhängt. Ich habe keine Probleme dies alles allein zu regeln. Deshalb denken viele, ich komme zurecht und brauche keine Hilfe.

Aber im Inneren sieht es ganz anders aus. Um so mehr Zeit vergeht, um so mehr begreife ich, dass ich allein bin. Menschen kann man nicht so einfach austauschen. Mein Mann ist nicht zu ersetzen. Lutz war mir nicht nur ein liebevoller Mann, sondern auch ein einfühlsamer Partner, ein sehr guter Kumpel und mein Ruhepol, die Schulter zum Anlehnen. Dieser Halt ist mir jetzt genommen worden. Ich hänge jedoch noch mit meiner ganzen Seele an meinem Mann und bin noch ganz mit der Liebe zu ihm ausgefüllt. Ich kann nicht auf andere Menschen zugehen und möchte keinen belasten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Unbeteiligte nicht mit mir und meiner Trauer umgehen können.

Durch Zufall stieß ich im Internet auf Seiten, auf denen sich Verwitwete austauschen und darüber schreiben können. Ich wollte eigentlich nur kurz meine Erfahrungen schildern, begriff aber schnell, dass es ein längeres Werk werden würde. Ich hatte das Bedürfnis mich mitzuteilen. Ich begann diesen Beitrag zu schreiben. Das Nachdenken über die Ereignisse wühlte mich sehr auf. Ich schrieb mehrere Tage jede freie Minute und konnte mich nicht bremsen. Es sprudelte nur so aus mir heraus. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen und dachte nur noch über die Texte nach. Wenn ich einen Abschnitt geschrieben hatte, las ich ihn noch mal durch und begriff dann erst, wie dramatisch die Ereignisse für mich waren. Mehrere Tage schaffte ich es nicht die Abschnitte zu lesen, ohne regelmäßig in Tränen auszubrechen.  Ich begann mein eigenes Leid zu begreifen. Ich war wütend. Mir wurde gesagt, dass ich alles besser verarbeiten würde, wenn ich mich damit beschäftige. Mir ging es aber von Tag zu Tag schlechter. Erst jetzt, nach ca. zwei Wochen beginne ich wieder etwas ruhiger zu werden. Ich glaube das Schreiben ist wie eine Therapie. Es ist aber eine Pferdekur. Nichts für schwache Nerven. Mann durchlebt alles noch einmal. Aber ich hoffe, es hilft mir alles zu verarbeiten und evtl. anderen Betroffenen mit ihrem eigenem Schmerz umzugehen. Wer sich in seiner Trauer wirklich selbst begreifen möchte, sollte diesen Weg wählen. Mir ist vieles in den letzten zwei Wochen deutlich geworden. Ich möchte trauern. Und ich werde so lange trauern, wie ich es für notwendig halte. Ich lasse mir keine Vorschriften hierzu machen. Ich werde nicht lustig sein, wenn mir nicht danach zumute ist. Ich denke oft und gern an meinen Mann und lasse mir diese Erinnerungen nicht nehmen. Ich stehe dazu, dass man mir ansieht, dass ich trauere. Ich werde meine in den letzten Monaten ergrauten Haare grau lassen. Es ist ein Ausdruck meines inneren Zustandes. Ich trage weiter überwiegend gedeckte Farben (Schwarz, grau). Es widerstrebt mir bunte Sachen anzuziehen. Ich lasse mich nicht zwingen mich der Gesellschaft anzupassen, die Trauer und Leid verdrängt.

Ich wünsche allen Betroffenen, die selbst einen Verlust verarbeiten müssen, dass sie zu sich selbst finden und allen Unbeteiligten, dass sie nicht vorschnell über Trauernde urteilen und für diese Verständnis aufbringen. 

Urte Reichel

test123